Die drei Kapellen unter einem Dach
Barockprälat Marcus Hauser von Weissenstein aus Brixen (amt. 1621 – 1665) erwarb ab 1623 im Viertel „Graul“ von Bozen verschiedene Güter und begann dort Maria Heim zu erbauen.
Ein zweigeschossiger Baukörper war für jeweils zwei über einander gelegene Kapellen angelegt. Davon wurden drei verwirklicht und zwar:
Die Marienkapelle – die romanische Hauptkapelle mit einem interessanten Passionszyklus im Vorraum, der erst bei der Restaurierung entdeckt wurde und einem in Blau und Gold gehaltenem Barockaltar: bauliche Entstehung ab 1635; Weihe am 25. April 1641.
Die Augustinuskapelle liegt za. 85 cm höher als die Marienkapelle, ist südseitig gelegen und mit dieser durch Fensteröffnungen verbunden. Geweiht am 24.11.1652 ist sie ohne besonderen Schmuck ausgestattet.
Die Gruftkapelle wurde laut Urkunde am 12.10.1643 dem Leiden Christi geweiht. Bei der Restaurierung 1986 kamen an den Wänden Engel mit Leidenssymbolen und lateinischen Inschriften in den Farben Schwarz und Gold zum Vorschein, die leider auf der Außenseite durch Mauerfraß zerstört sind. Im Gewölbe ist in einem Achteck Gott-Vater die Erde segnend dargestellt. Für die Darstellung des Leidens Christi hat Maler Niclas Schiechl auf bekannte Vorlagen zurückgegriffen.
zum LINK: Kapellen Maria Heim Inschriften in der Gruftkapelle
Barockprälat Hieronymus II. Rottenpuecher aus Bozen (amt. 1665 – 1678) hat um das Jahr 1672 auch in Maria Heim verschiedene Räume ausschmücken lassen, darunter die Vorhalle der beiden oberen Kapellen und die Gruftkapelle. Der Maler war Niclas Schiechl aus Brixen, der ebenfalls 1672 den „Wunderbrunnen“ des Chorherrenstiftes in Neustift mit dem Zyklus der sieben klassischen Weltwunder der Antike bemalte; im 8. Feld grüßt das Kloster Neustift den Betrachter.
Die Vorhalle zur Marienkapelle mit dem barockzeitlichen Arma-Christi-Zyklus
Die Darstellung in der Vorhalle entspricht einem Bilderrätsel, besteht also nicht aus Figuren, sondern zum größten Teil aus Gegenständen. Im gesamten Zyklus gibt es nur neun erkennbare Gesichter (Maria, Jesus und Judas beim Judaskuss, der erhängte Judas, der weinende Petrus, drei Spötter und das Antlitz Jesu im Schweißtuch der Veronika). Es gibt noch weitere schemenhaft dargestellte Personen (Kaiphas; eine Person, die im Torbogen des Palastes des Hohen Priesters Hannas steht; eine Person, die sich zwischen den beiden Palästen von Kaiphas und Hannas bewegt; am Balkon: Pilatus, Jesus und ein Soldat; im Fenster: Pilatus und dessen Frau).
Bislang sind keine Vorlagen für den Zyklus im Vorraum der oberen Kapellen von Maria Heim bekannt. Damit kann (heute) gesagt werden, dass wir im Vorraum der oberen Kapellen von Maria Heim ein einmaliges Werk vor uns haben.
Der Zyklus beginnt mit der Weissagung Simeons bei der Darstellung Jesu im Tempel (Lk, 2,25-35). Zu Maria sagte er: “Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen.“ (Lk, 2,35). Maria ist als Mater Dolorosa (Schmerzensmutter) dargestellt.
Es folgt die Darstellung der Leidensgeschichte Jesu in Form zeichenhafter Symbole:
Einzug in Jerusalem
Letztes Abendmahl (mit gekennzeichnetem Sitzplatz des Judas)
Ölberg (erhalten hat sich nur der Tröstungskelch auf dem Felsen)
Verrat Jesu (Judaskuss und Beutel mit den 30 Silberlingen)
Das Gebäude versinnbildlicht den Ort an dem Judas vom Synedrium das Geld in Empfang genommen hat.
Gefangennahme Christi mit den Leidenswerkzeugen (Arma Cristi)
Rotes Feld als gekaufter Begräbnisplatz für Fremde
Verleugnung (Hahn und Dienerin, Feuerstelle am Palast des Hohenpriesters)
Weinender Petrus vor der Stadtmauer
Judas hat sich erhängt
Händewaschung, Geißelung
Purpurmantel, hier als weißer Spottmantel dargestellt (überreicht von Herodes)
Das rechte Haus unter der Geißelung ist der Palast des Hohen Priesters
Kaiphas, der aus dem Fenster seines Palastes schaut.
Das linke Haus unter der Geißelung stellt den Palast des Hohen Priesters Hannas dar.
Eine abgeschlagene, Blut triefende Hand (ist Barabbas gemeint?)
Verhöhnung und Dornenkrönung
Das rechte Haus unter der Verhöhnungsszene ist der Palast des Kaiphas (auf dem Haus ist ein Halbmond ersichtlich).
Das linke Haus unter der Verhöhnungsszene ist das Prätoirum mit der Ecce-homo-Szene auf dem Balkon und links im Fenster das Gespräch zwischen Pilatus und seiner Frau.
Insignen der römischen Macht (S.P.Q.R.) – [Senatus Populusque Romanus]
Schweißtuch der Veronika mit Gesicht Jesu
Verlosung des Leibrockes Christi (3 Würfel mit insgesamt 32 Augen (12+14+6)
Jerusalem als Ort der Kreuzigung
Sonnenfinsternis
Kreuzigungswerkzeuge
Kreuzigung von der nur mehr oben Reste erhalten sind: Lanzenspitze mit Essigschwamm, Inschrift INRI, Lanzenspitze mit durchbohrtem Herzen
Kreuzabnahme
Holzblock auf dem Maria Jesus auf dem Schoß hielt
Offenes Grab
Der Zyklus endet mit der Auferstehung Christi
Das leere Grab mit verstellter Grabplatte, dem Linnen und drei Salbungsampullen
Auferstehung mit Siegesmantel am Baldachin, Strahlenrad der Sonne, Fünf Wundmale, Siegesbanner
Quelle: Leo Andergassen, „Passio in rebus. Der barockzeitliche Arma-Christi-Zyklus in der Neustifter Enklave Mariaheim in Bozen“ in der Festschrift für Paul von Naredi-Rainer zu seinem 60. Geburtstag. Hg. Lukas Madersbacher – Thomas Steppan. Verlag Schnell & Steiner, Regensburg (D), 2010
Der Turm
Der schlanke Turm misst 25 Meter, beherbergt zwei Glocken und ist an drei Seiten mit Sonnenuhren versehen. Von der mechanischen Turmuhr existiert nur mehr das Ziffernblatt.
Als Baumeister werden die Gebrüder Andreas und Peter DELAI vermutet.
Der Kassettensaal
Dieser befindet sich im 1. Stock des Südflügels. Vor der Renovierung waren alle Räume weiß getüncht. Erst während der Arbeiten wurden schöne Fenster- und Türfassungen entdeckt , welche der Spätrenaissance zugeordnet werden. Leider waren durch frühere bauliche Maßnahmen teilweise große Schäden verursacht worden.
Die Kellerräume sind für die Gegend typisch auf drei Ebenen angelegt. Der Wein rund um das Haus wird heute am Marklhof (Girlan) eingelagert und verarbeitet.
Der Wappenstein in Marmor über dem Eingang zur alten Torggel. Er zeigt das Wappen des Propstes Markus Hauser eingerahmt mit der Inschrift: IN NOVA CELLA* MARIAE VIRGINIS AD GRATIAS*MARCUS PRAEPOSITUS* 1636*
Der Schlussstein zur alten Torggl mit dem Namen „Maria Haimb“ deutet auf das schon vorhandene Gebäude (gemauerte Hütten) und auf die Besitzerin hin.
Das T ( griechisches Tau), das Element des Neustifter Wappens wurde im Ansitz mehrfach als architektonisches Element verwendet; Erkennbar ist es im Südflügel von der Hofseite aus betrachtet sowie von der Vogelperspektive. Ebenso die Form des Innenhofes.